Hygieneaufschlag – verwerflich, ungesetzlich oder berechtigt?

„Not macht erfinderisch“ lautet ein altes Sprichwort. In Zeiten der Corona-Krise bekommt dieser Spruch aber oft einen zweifelhaften Beigeschmack. Beispielsweise wenn es um „Corona-Aufschläge“ geht. Sind Zusatzgebühren für Hygienemmaßnahmen überhaupt rechtens? Müssen Restaurantbesucher zukünftig mit einer „Geschirrspül-Pauschale“ rechnen, weil der Wirt seine Investitionskosten auf die Gäste abwälzt? Wird an warmen Sommertagen eine „Brandschutz-Gebühr“ fällig, nur weil der Gesetzgeber es versäumte die neu entstandene „Corona-Aufschlag-Kultur“ zu reglementieren?

Arztpraxen
Bundesärztekammer (BÄK) und Private Krankenversicherungen (PKV) einigten sich auf eine Pauschale von 14,75 Euro für jeden unmittelbaren Kontakt. Privatpatienten bekommen den auf ihrer Rechnung ausgewiesenen Hygienezuschlag von ihrer Versicherung erstattet. Bei den gesetzlich Versicherten übernehmen die gesetzlichen Kassen coronabedingte Mehrausgaben.
Patienten, egal ob Privat oder Kasse, interessiert der Aufschlag letztendlich wenig.

Friseure
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) formulierte im Pandemie-Arbeitsschutzstandard Hygieneregeln für das Friseurhandwerk. Bei der Terminvergabe wird der Kunde nach „Corona-Symptomen“ befragt und verschiedene persönliche Daten erhoben. Stellt sich ein Kunde sich quer, wird er nicht bedient. Die Kittel, die vor den herabfallenden Haaren schützen, müssen nach jedem Kunden gewechselt werden, sämtliche benutzten Geräte werden desinfiziert. Bevor ein neuer Kunde sich in das Geschäft setzen darf, muss der alte es verlassen haben. In den Räumen muss ein Durchzug möglich sein, um stehende Aerosole auszudünnen. Masken müssen regelmäßig ausgetauscht werden.
Der Hygieneaufschlag ist nicht einheitlich geregelt und beläuft sich auf 3 bis über 20 Euro je Haarschnitt. Die Kunden sehen es pragmatisch. Auf der einen Seite haben sie keine Wahl, auf der anderen Seite verstehen sie das Risiko der Friseuse.

Gastronomie
Auch Gastronomen schlagen teilweise kräftig zu, jedoch herrscht in dieser Branche keine Einigkeit darüber, ob ein Zuschlag erhoben werden sollte. Viele Selbstständige sehen es realistisch. Warum die wenigen Kunden durch Mehrkosten verprellen, wenn der Wirt froh über jeden Gast ist?

Bei den Kunden ist die Meinung ebenfalls geteilt. Manch einer, der es sich leisten kann, zahlt gern einen Aufschlag. Die Familie, die ebenfalls durch die Krise kaum Geld auf dem Konto hat, empfindet Aufschläge vielleicht als Abzocke.

Rechtschliches
In der Preisangabenverordnung (PAngV) wird gesetzlich geregelt wie Preisangaben zu erfolgen haben.

§ 7 Gaststätten, Beherbergungsbetriebe
(5) Die in den Preisverzeichnissen aufgeführten Preise müssen das Bedienungsgeld und sonstige Zuschläge einschließen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Anwälte eine Wettbewerbsverzerrung in der „Corona-Pauschale“ auf der Rechnung sehen und der Staat sich gezwungen sieht das unkontrollierte Treiben zu reglementieren.

59d8934c57e54fbfa1b2a0a0ba1df714

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen